Mittendrin aber nicht dabei |
Montag, 31. März 2008 | |
CM schickt Redakteur auf die 60 km Runde Rund um Köln![]() Als ich Montag früh morgens aus meinem Bett aus dem Fenster sehe, weiß ich bei mir genau: Da kommt eh keiner zum Rennen! Wahrscheinlich reisen selbst die Profis, also Rennfahrer mit dem Lebensinhalt, sich durch härteste Rennbedingungen zu quälen, gleich wieder ab. Warum im Himmel sollte da Jemand aus Hamburg, München weiß ich wo nach Leverkusen fahren, nur um schmale Spuren in den Kölner Schneematsch zu schneiden? Dabei hätte ich es besser wissen können. Zwei Tage zuvor hatte ich die kleine Challenge-Strecke erneut abgefahren. Trainieren wollte ich eh, dann konnte ich auch gleich den aktuellen Zustand der Strecke begutachten. Kaum das schützende Köln verlassen, gabs einen Vorgeschmack auf den Montag. Wie ein schmerzhaftes Peeling schlugen die kleinen Hagelkörner in meinem Gesicht ein. Kalt war es eh. Die feuchte Luft kroch unter die Klamotten und unterkühlte erst die Hände, dann die Füße und nicht minder meine Laune. ![]() Die Kölner nehmen es mit der Treue vielleicht nicht ganz so ernst, aber wenn es um den Dom oder ihr Radrennen geht, machen sie keine halben Sachen, dachte ich bei mir! Ach und noch etwas erinnerte an ein Radrennen: die Radfahrer! Ich war nicht der Einzige mit Eiskristallen in den Falten der Radjacke. Im Nachhinein hätte die Masse an Fahrer für eine inoffizielle Wertung gereicht. Ich bin sogar sicher, dass der Eine oder Andere die Steigung hoch nach Sand mehrmals abgefahren ist, vielleicht des richtigen Ganges wegen? So viel zum Thema Hobbyfahrer! ![]() Genau den gleichen Spruch hatte mein Grundschullehrer schon verbreitet. Konnte mir kaum vorstellen, dass der sich Gedanken über den Zusammenhang von Schneematsch, dünnen Nylonklamotten und Fahrtwind gemacht hat. Artur Tabat dagegen hatte im gleichen Atemzug die relative Härte des Radfahrers an sich herausgestellt. Also dann sollte ich ihn auch nicht Lügen strafen. Außerdem: wie sollte ich das der Redaktion erklären? Dann auf nach Leverkusen! ![]() Diagonale Gleise auf der Straße waren noch nie meine Freunde, mit Schnee hasse ich sie ganz offiziell. Im Prinzip ist Köln wie ausgestorben, nicht mal auf der breiten Frankfurter Straße, die entgegen ihres Namens auch nach Leverkusen führt, fahren um halb neun mehr als vielleicht zwei Autos. In der Spur von einem davon drückte ich etwas aufs Tempo, eher gegen die Kälte, als im Sinne einer Rennvorbereitung. Je näher ich den Flutlichtmasten komme, umso mehr fängt die Gegend an zu leben. Radfahrer – überall Radfahrer - die sind echt gekommen - freiwillig! In der entgegengesetzten Fahrrinne hängen vier gleich gekleidete Starter dicht aufeinander und fahren sich warm! Die fahren sich warm mit Schneematsch im Gesicht! Auf dem Radweg rechts von mir klopft sich ein Gestürzter Mengen Schnee von Hose und Jacke – plötzlich fällt mir wieder auf, wie gefährlich es eigentlich ist, mit zwei mal 23 mm auf Schnee und Matsch zu fahren. ![]() Auf der Rückseite der BayArena fällt es dann zum ersten Mal. Das Wort, das in den nächsten drei Stunden über der Veranstaltung hängen sollte – Absage. Eine Gruppe von sechs Holländern – ja richtig aus Holland - steht etwas planlos samt ihren Frauen da und diskutiert Sinn und Unsinn von einem Rennen im Schnee. Ich schiebe mein Kölner Radtrikot zwischen unsere Nachbarn und protze mit meiner Kenntnis vom Notfallplan, den sich die Crew um Artur Tabat, Rennleiter Rudi Altig und Technischer Direktor Alexander Donike am Abend vorher ausgedacht hatten. Alle Jedermänner sollten die kleine Runde fahren, um den Räumfahrzeugen wenigstens eine Chance zu geben. Mein Rad sieht mittlerweile aus wie eine Eisskulptur und mein Hintern fühlt sich zumindest so an. Kurz vor neun Uhr rücke ich gut mariniert ins Pressezentrum ein. Es dauerte ein bisschen, bis ich verstehe, dass die überwiegend Schlips tragenden Kollegen von der Presse sich nicht an meinem Outfit stoßen, sondern die Eiskristalle an meinen Augenbrauen anglotzen. Mit: „Hallo, Dillenberger, ich mache hier mit!“ verlange ich nach meiner Akkreditierung. „Die Große wird verschoben, vielleicht sogar gestrichen!“ entgegnet der nette Mensch am Schalter. Also Notfallplan, aber das änderte ja nichts an meiner Mission! ![]() Mitten im Pulk von eingeschneiten Helmen, Sturmhauben und steif gefrorenen Gesichtern steigt Dampf auf. Offenbar habe nicht nur ich Respekt vor den Startwilligen, sondern auch der Veranstalter, der die Mutigen mit heißen Getränken bei Laune halten will. Wie gesagt, den Kölnern liegt ihr Rennen sehr am Herzen. Ich habe immerhin den Vorteil, zumindest hin und wieder die Wärme des Pressezentrums zu genießen. Von hier aus verbreitete sich dann auch die erwartete Meldung: Absage! Man hatte wirklich bis zum bitteren Ende gehofft. Hatte den Rennleiter und die Polizei immer wieder ins Bergische geschickt, doch keine Chance, sogar der vierrädrige Verkehr produzierte einen Unfall nach dem anderen. Der Strom von hektischen Schlipsträgern in und um die BayArena verebbt mit einem Schlag. Dafür rechne ich mit dem Auftritt von vielen enttäuschten und wütenden Fahrern, die gegen die Entscheidung protestieren, aber ich höre nicht ein böses Wort. Auch Uwe aus Köln gesteht mit hängenden Schultern die Richtigkeit der Absage ein. Er ist schon wieder in Zivil und kann nun nur seinen Starterbeutel als Trophäe mit nach Hause nehmen. Währenddessen hat sich die Crew im Zielbereich genauso heftig gegen das Scheitern des Rennens gewehrt. Mit Kehr- und Streuwagen der Stadt Köln wollte man wenigstens die Schülerrennen im Zielbereich retten. Doch ein Unglück kommt selbst am Rhein selten allein. Der Kehr- oder wenn man so will Besenwagen blieb ausgerechnet mit Motorschaden liegen. Und der Ersatz konnte nur noch wenig gegen die Eisplatten auf der Straße ausrichten. Also begann schon vor elf Uhr der Abbau, ohne dass auch nur ein Rennfahrer die Ziellinie überquert hätte. ![]() ![]() Außerdem fällt mir auf, dass er sich so dicht neben mir nicht wirklich wohl fühlt. Meine Einladung auf eine Portion Windschatten lehnt er dankend ab. Wolfgang hat, er möge mir verzeihen, ein bisschen Angst vor renntypischer Nähe. Und da wird es mir gleich noch klarer. Wolfgang wollte ohne jeden Schutz einer Gruppe und mit seinem Mallorca Outfit tatsächlich an den Start gehen. Wahrscheinlich wäre seine Zeit nicht wirklich gut geworden, aber er hätte diese Challenge bis zum Ende durchgezogen. ![]() Ich hoffe, dass die Organisatoren vom Verein Cölner Straßenfahrer im nächsten Jahr die Motivation finden, ihren tapferen Startern wieder eine so tolle Bühne zu bereiten. Ob die mit Recht enttäuschten „Beinahe-Starter“ im nächsten Jahr auf irgendeine Art und Weise entschädigt werden, steht derzeit noch nicht fest. Auf jeden Fall haben Artur Tabat und seine Leute erst einmal wieder 155 Jahre Zeit, bis Ostern auf den Frühlingsanfang fällt. Mich hat der Ostermontag in Köln weiter in meiner Ansicht bestärkt, dass bei den Jedermann-Rennen vielleicht die härtesten Männer und Frauen des Breitensports zu finden sind. Ich wäre gern mit euch gefahren. Timo Dillenberger http://www.feuerwehr-blaibach.de/ |
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